Vorteile und Nachteile von Nervensystemarbeit, um eigenen Gewohnheiten zu verändern

Vorteile und Nachteile von Nervensystemarbeit

geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Die Arbeit mit dem Nervensystem fühlt sich für viele völlig fremd und etwas ineffizient an. „Warum soll ich mir Zeit nehmen, zu verstehen, in welchen Zustand mein Körper ist? Ich muss nur mein Problem endlich in den Griff bekommen!“.

So oder ähnlich höre ich es immer wieder, wenn ich über meine erstaunlichen Erfahrungen durch Nervensystemarbeit erzählen möchte. Ausserdem scheinen kognitive Therapien wie eine Verhaltenstherapie besser erforscht bzw. anerkannt.

Trotzdem spricht einiges dafür, über den Körper, unsere persönlichen Prägungen zu verändern.

Unser Verstand hat uns als Gesellschaft, aber auch als Individuum sehr weit getragen. Trotzdem gibt es eine Schutzebene in uns, die Erfahrungen aus der Vergangenheit nutzt, um unser Jetzt zu steuern. Dies macht uns aber nicht immer automatisch glücklich, sondern oft das Gegenteil davon.

Diese Ebene lässt sich aber nicht über den Verstand steuern! Es hilft aber, wenn unser Verstand versteht, warum wir etwas so Ungewohntes machen wollen.

In diesem Artikel nehme ich Dich mit, in die Gründe, die für Nervensystem Arbeit sprechen und welche dagegen.

Vorteile der Nervensystemarbeit:

Stressabbau

Die Arbeit mit dem eigenen Nervensystem kann wesentlich rasch helfen, erlebten und aktuellen Stress abzubauen und zu reduzieren. Die Nervensystemarbeit hilft uns bewusster mit den eigenen, individuellen Körperempfindungen zu werden und dabei auch ein Gefühl für die Auswirkungen von Stress auf unseren Körper zu erhalten.

Viele, die ein Burnout erleben, wissen, dass sie selber die Belastung nie als zu viel empfanden, bis ihnen der Körper die eigenen Grenzen aufzeigte. Bei der körperzentrierten Arbeit mit dem Nervensystem beginnen wir eigene Zustände wesentlich präziser und genau lesen zu lernen. Dies ist ungemein hilfreich, um eigene Stresszustände besser zu managen und zu unterbrechen.

Verbesserte Selbstregulation

Die Arbeit mit dem Nervensystem kann auch dazu beitragen, unsere Fähigkeit zur Selbstregulation zu verbessern, indem wir üben, wie wir unsere eigenen Körperempfindungen und Stressreaktionen regulieren zu lernen.

Wir üben im Alltag unsere Verbindung zum Körper nicht zu verlieren. Dadurch erhöht sich unsere eigene Fähigkeit bei Stress Ressourcen zu aktivieren, die den Körper beim Stressabbau unterstützen. Wir erkennen, wann uns eine kurze Pause an der frischen Luft besser tut als ein heisses Bad und wann wir einfach etwas Schlaf brauchen, bevor wir das aktuelle, dringende Problem lösen.

Verbesserte körperliche Gesundheit

Indem wir uns bewusster mit unseren Körperempfindungen auseinandersetzen, beginnen wir auch besser auf die Bedürfnisse unseres Körpers zu achten und diese zu erfüllen. Dadurch verbessert sich Schritt für Schritt unsere körperliche Gesundheit.

In unserer stressigen Gesellschaft vergessen wir Grundbedürfnisse wie trinken, aufs WC gehen oder einfach mal den Körper auszuschütteln, wenn wir uns zu sehr verspannen. Empfindungen des Körpers stören uns im Alltag. In der Nervensystemarbeit üben wir, Mitteilungen unseres Körpers nicht einfach zu ignorieren, sondern als Hilfestellungen im Alltag schätzen zu lernen.

Verbessertes emotionales Wohlbefinden

Die Arbeit mit dem Nervensystem unterstützt uns, mit unseren unangenehmen, oft ausgeblendeten oder unterdrückten Emotionen auseinanderzusetzen. Wir verlieren die Angst vor unseren eigenen Gefühlen, da wir erleben, wie wir zugewandt und wohlwollend auch starke Emotionen konstruktiv für uns und unsere Entwicklung nutzen können.

Je mehr unsere Gefühle genauso bewusst fliessen dürfen wie unsere Gedanken manchmal kreisen, erleben wir, wie wir uns besser zu fühlen beginnen und sich auch unser emotionales Wohlbefinden verbessert und wir auch in stressigen Zeiten stabil bleiben. Unser Nervensystem kann durch die Nervensystemarbeit mehr Kapazität für das Auf und ab des Lebens aufbringen, was wir als grössere Gelassenheit und mehr Wohlwollen uns selbst gegenüber erleben.

Nachteile von Nervensystemarbeit

Schwierigkeiten mit dem Verständnis

Um sich auf die Arbeit mit dem Nervensystem einlassen zu können, müssen die Grundlagen der Nervensystemarbeit zuerst kognitiv verstanden werden. Ohne Erklärungen, über die wissenschaftlichen Grundlagen dieser Arbeit, fällt es den meisten Menschen schwer, die Zusammenhänge zwischen ihren Körperempfindungen und ihren emotionalen Reaktionen zu verstehen.

Am Anfang der Nervensystemarbeit steht also immer auch ein «Ausbildungsblock» – Erklärungen zu den verschiedenen regulierten oder dysregulierten Zuständen im System, ihren Ursachen und wie unser Körper unsere emotionalen Reaktionen basierend auf vergangenen Erfahrungen steuert.

Veränderungen können langsam kommen:

Nervensystemarbeit braucht Zeit, Zeit, die wir uns oft selber nicht geben wollen. Die meisten Menschen sind müde von der ewigen Arbeit an sich selber. Viele haben schon einige Therapien, Selbsthilfebücher und Kurse hinter sich und wünschen sich endlich echte Veränderungen.

Die Arbeit mit dem Nervensystem ist bottom-up, das heisst der Körper gibt das Tempo der Veränderung vor. Es kann also einige Zeit dauern, bis die Veränderungen, die durch die Arbeit mit dem Nervensystem erreicht werden, wirklich im Alltag spürbar sind.

Vorteile und Nachteile von Nervensystemarbeit
Unsere Verhaltensmuster sind nicht nur kognitiv, sondern auch in unserem Nervensystem tief verwurzelt

Stressgewohnheiten und Körperempfindungen

Zugang zu tiefgreifenden Stressgewohnheiten

Warum hilft uns der Zugang zu unseren Körperempfindungen tiefgreifende Stressgewohnheiten zu verändern?

Indem wir uns auf unsere Körperempfindungen konzentrieren und uns unserer emotionalen Reaktionsmuster auf eine neue Weise beobachten, können wir lernen, unsere Reaktionen auf Stressoren und Trigger zu verändern. Durch diese Arbeit reparieren und vertiefen wir unsere Verbindung zu unserem Körper, und dem, was in uns überwiegend unbewusst abläuft.

Wir bekommen Zugang zu versehrten Persönlichkeitsanteilen, die durch frühere erlebte Ohnmacht-Ereignisse Schutzreaktionen im Jetzt auslösen, die uns nicht mehr guttun. Diese Situationen in der Vergangenheit, die uns überforderten, hilflos oder wehrlos und schutzlos fühlen liessen, sind tief in unser Nervensystem eingebrannt. Wir können lernen, diese versehrten Anteile zu beachten, zu heilen und wieder zu integrieren.

Dadurch gelingt es uns besser, auf unsere Bedürfnisse im Alltag zu achten. Die Arbeit mit dem Nervensystem hilft daher, Gewohnheiten und Verhaltensmuster dauerhaft zu verändern, die uns sonst in Stress- und Drama Modus gefangen halten und so ständig belasten.

Kognitive Ebene und Verhaltensmuster

Warum hilft es, nicht nur auf der kognitiven Ebene an den eigenen Gewohnheiten und Verhaltensmustern zu arbeiten?

Durch die kognitive Arbeit oder Therapie können wir unsere persönlichen Verhaltensmuster und Denkgewohnheiten viel besser verstehen. Trotzdem kann es sehr schwer bleiben, diese Muster und Gewohnheiten dauerhaft zum Besseren zu ändern. Viele Menschen wissen sehr wohl, dass sie Grenzen setzen sollten, mehr Hilfe zulassen möchten oder weniger Angst haben wollen. Trotzdem scheint sie das Leben weiterhin fest im bekannten Muster festzuhalten. Die meisten Menschen sind überzeugt, nicht gut genug oder nicht hart genug an der Veränderung zu arbeiten. Oder sie resignieren und glauben dem Satz „ich bin halt eben so …!“

Durch die Arbeit mit dem Nervensystem bekommen wir auf einer tieferen Ebene Zugang zu unseren Gewohnheiten und Verhaltensmustern. Wir lernen sie als versehrte Anteile kennen, die in unserem Nervensystem gespeichert sind. Unliebsame Verhaltensmuster sind oft alte Schutzreaktionen, die uns heute nicht mehr dienlich sind. Indem wir uns damit auf Körperebene auseinandersetzen, bekommen wir einen Schlüssel in die Hand, sie auch zu verändern.

Indem wir uns auf unsere Körperempfindungen konzentrieren und lernen, wie wir Sicherheit und Verbundenheit in uns wiederherstellen können, verändern sich unsere Reaktionen unter Stress. Nervensystemarbeit arbeitet in unserem unbewussten, autonomen System, und verändert auf einer sehr tiefen Ebene unsere Verhaltensmuster.

Konflikte, enttäuschte Gefühle und Fähigkeit Grenzen zu setzen

Warum hilft uns das Verstehen, warum unser Nervensystem Konflikte und enttäuschte Gefühle der anderen so wichtig nimmt, unsere eigenen Grenzen zu setzen?

Konflikte und enttäuschte Gefühle anderer Menschen können wir unbewusst als Bedrohung für unser eigenes Wohlbefinden und unsere Sicherheit erleben. Unser Nervensystem kann es als sicherer erleben, die eigenen Grenzen zu überschreiten, statt Konflikte oder enttäuschte Gefühle auf der Gegenseite zu riskieren. Indem wir verstehen, warum unser Nervensystem so stark auf Konflikte und enttäuschte Gefühle von anderen reagiert, bekommen wir auch das Werkzeug in die Hände, diese Schutzreaktion zu verändern.

Ausserdem helfen bewusste, somatische Körperübungen, die in der Nervensystemarbeit immer integriert werden, ein Gefühl für die eigenen körperlichen Grenzen zu entwickeln. Sobald wir uns selber besser spüren, fällt es auch leichter, die eigenen Grenzen leichter zu spüren und zu kommunizieren.

Vorteile und Nachteile von Nervensystemarbeit
Nur wenn wir Zugang zu unseren Gefühlen finden, verstehen wir auch unser Verhalten, dem Fluss des Lebens gegenüber

Empathie uns und anderen gegenüber

Darüber hinaus kann das Verständnis unseres Nervensystems uns helfen, unsere Empathie und Mitgefühl für andere zu verbessern. Wenn wir verstehen, dass andere Menschen möglicherweise auch unsere Grenzen, als Bedrohungen wahrnehmen, können wir enttäuschte Erwartungen spielerischer und weniger persönlich empfinden und Konflikte besser lösen.

Insgesamt hilft uns das Verständnis unseres Nervensystems dabei, unsere eigenen Grenzen zu setzen und gleichzeitig unsere Empathie und Mitgefühl für andere zu verbessern. Nervensystemarbeit ermöglicht uns langfristig, gesündere Beziehungen aufzubauen und ein besseres Verständnis für uns selbst und andere zu entwickeln.

Der wertvollste Aspekt der Nervensystemarbeit, erscheint mir persönlich, die Entwicklung eines tieferen Verständnis uns selber und unserer Geschichte gegenüber und mehr Wohlwollen und Zuversicht unserem menschlichen Dasein gegenüber. Dieses Verständnis verändert nicht nur unsere Eigenwahrnehmung, sondern auch unsere Toleranz dem Leben und anderen Mitmenschen gegenüber.

Es gibt nichts Heilsameres, als Präsenz unseren Körperempfindungen gegenüber zu lernen und dabei unsere versehrten Persönlichkeitsanteile wieder in die Heilung zu bringen und uns als vollständig und sicher im Auf und Ab des Lebens zu erleben.

Liebe Grüsse,

Gertrud

Balance im Leben und im Nervensystem | ohne emotionale Überforderung

Embodiment | Nervensystem | Verbindung zu Dir

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2 Antworten

  1. Liebe Gertrud, wie schön dieser Artikel. Ich habe das selber auch erlebt, dass ich zuerst ungeduldig war – und es auch immer nochmal bin – wenn ich mir so viel zeit lassen soll. Ich habe schließlich keine Zeit.. Aber ich weiß einfach, dass es sich lohnt – mittlerweile.

    und deshalb arbeite ich auch selber so gern mit dem Nervensystem, weil es auch mit damit an die hand nimmt, mir die zeit zu lassen.
    Danke dir für den hinweis, dass der körper seine eigene zeit hat. Ja, das stimmt und ist so wichtig anzuerkennen

    und dieser Gedanken, immer noch nicht genug getan zu haben und auf der anderen seite müde zu sein, von der ständigen psycho-emotionalen selbstoptimierung, puh, das kenn ich so gut.
    Und gleichzeitig ist es doch unser weg. Wir wollen wachsen und uns entwickeln. Alles wachstumsschmerzen oder freuden bis zum ende. und du beschreibst die konflikte damit echt sehr gut und nachvollziehbar

    Danke dir dafür 🙏 

    1. Liebe Hilkea – Danke für Dein Feedback zum Artikel. Bei der Psycho-emotionalen Selbstoptimierung musste ich laut lachen. Lernen sich selbst besser lesen zu lernen und dann besser unterstützen zu können – im Auf und Ab des Lebens – ist auch eine Befreiung aus diesem energieraubenden Selbstoptimierungsstress;). Das Ziel ist es doch, uns selber vollständigen und strahlend im Alltag selbst auszudrücken. Dich spüren und sagen können – das bin ich und ich mag mich – auch in den weniger prickelnden Momenten.

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