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Als Kleinkind antwortete ich auf die Frage, was ich mal werden wollte, immer ganz klar mit «ein Star» – was mir wahnsinnig viel Brownie Points bei Familienfesten einbrachte 🤪. Am Gymnasium wusste ich dann, dass ich das Freifach «10 Finger System» ruhig auslassen konnte, da ich ja Chef mit Sekretärin werden würde. Ich wäre auch wesentlich lieber ein Bub gewesen – laut, wild, stark und durchsetzungsstark waren in den 70er Jahren keine Attribute für ein Mädchen, das alle mochten. Wie oft hörte ich «das geht nicht, weil Du ein Mädchen bist.» Röcke, Lippenstift oder Kinder, einen Ehemann oder Leben in Europa waren für mich lange Zeit, absolut unvorstellbar.
Also, wie wurde ich also zur verheirateten Mutter mit 4 Kindern, mit Haus am Land und Embodiment Coach für ein reguliertes Nervensystem, mit Faible für Pink & Co? Diese Frage stellte mir Judith während ihrer Boom Boom Blog Challenge 2022.
- Februar 1969: Ich war das erste Kind meiner frisch verheirateten Eltern, die planten kinderlos zu bleiben (liegt also in der Familie) und die sich kurz darauf ans Haus Bauen in einem Tiroler Kuhdorf machten und gleichzeitig ein Transportunternehmen gründeten. Ich konnte früh sprechen, früh laufen, wusste was ich wollte und ich war die, die immer gut in der Schule, aber schwierig für meine Familie blieb.
- Juni 1987: Verpasste ich knapp das Cuma sum laude bei meiner Matura am Akademischen Gymnasium Innsbruck, was ich lange als Versagen definierte. Trotzdem das Gefühl der Freiheit nach der Matura war riesig und wenn ich die Augen schliesse, kann ich es heute noch spüren.
- Oktober 1987: Ich fliege als erste in meiner Familie mit einem Flugzeug – und gleich in die USA als Aupair in Boulder Colorado. Alleine der Check-in in München war ein Abenteuer. Auch wenn ich sehr wenig verdiente, ich sah mit diesem Lohn San Fransisco, Kuaui Hawaii und auch viele Orte in den Rocky Mountains. Ich spürte, dass meine Heimat die Welt sein wird und nicht ein Ort in Tirol.
- Oktober 1988: Ich begann zähneknirschend mein BWL Studium in Innsbruck, nachdem meine Anmeldegebühr in der Uni St. Gallen nicht dokumentiert war (Anfängerfehler, keine Quittung aufzubewahren). BWL wählte ich, da es ein effizientes kurzes Studium war und es mir die Perspektive, überall auf der Welt arbeiten zu können, öffnete.
- Oktober 1990: Mein Auslandsstudium-Jahr an der EME Strassburg lässt mich mit 100 anderen ERASMUS Studenten Europa erleben – wir feiern den ersten Tag der Deutschen Einheit in Petite France Quartier und wir erlebten, dass Abschlüsse in Irland nicht anders bewertet wurden als Abschlüsse in Frankreich, Österreich oder Italien.
- Mai 1994: Ich arbeite für die österreichische Aussenhandelskammer in Sydney als Praktikantin und reiste vorher und nachher als Backpacker alleine durch Thailand und Indonesien. In dieser Zeit entdecke ich den Kurs in Wundern, als auch Bücher von Deepak Chopra und Shakti Gawain für Achtsamkeit als tägliche Übung innerlich zu heilen (damals von Liebeskummer und meiner Magersucht).
- Juli 1995: Ich ziehe von Innsbruck nach Zürich – offiziell nur für 3 Monate über die Sommerferien nach 3 Monaten Beziehung mit meinem heutigen Mann. Wir heiraten 6 Monate später – vor Ende des Studiums, ohne Jobs und noch weniger Gemeinsamkeiten. Es brauchte Mut unserem Bauchgefühl zu folgen – ich folgte meinem Bauchgefühl wie bei vielen meiner Lebensentscheidungen seit der Matura.
- Oktober 1996: Ich beginne als Controller bei der UBS in einem internationalen Projekt. Ich lerne dort Yasemin kennen – meine spätere Geschäftspartnerin – sowie auch meine spätere, langjährige Vorgesetzte bei der UBS. Ich war fleissig, leistungsfähig und talentiert und arbeite mich die Karriereleiter hoch – aber jeder Lohnerhöhung und jede Beförderung erkämpfe ich mir hart, mit viel Vorleistung – eines meiner hartnäckigen Lebensmuster, das ich lange, lange mit mir herumtrage.
- September 2001: Ich beginne als SAP Unternehmensberater bei Deloitte Consulting. Meine Arbeitsstunden werden noch verrückter – statt 60 Arbeitsstunden / Woche arbeite ich mehrere Monate 90 Stunden pro Woche. Ich stand kurz vor dem Burnout und erkämpfte mir intern den Ausstieg aus dem Projekt und die Beförderung zum Projektmanager, in dem ich meine eigenen Projekte als Prozessexperte im Accounting in der Finanzindustrie aufbaute. Ich erlebte Erfolg weiterhin als Lohn für Zielstrebigkeit, viel Arbeit und alleine mich durchsetzen zu können.
- November 2003: Ich wurde Mutter – mein Muster, jede Schwangerschaft wochenlang im Spital mit „Hyperemsis Gravidarum“ – einer extreme Form von Schwangerschaftsübelkeit – zu verbringen, behielt ich während aller Schwangerschaften. Mein Körper und ich kämpften – er wollte Ruhe und ich wollte funktionieren. Ich kämpfte mit Depression und Überforderung, vor allem fühlte ich mich als Versager, nicht wie geplant 100 % in meinen alten Job zurück zu können: «war es nicht alles eine Form der Organisation?».
- September 2004: Ich kehrte als Projektmanager mit einem Arbeitspensum von 80 % zur UBS zurück. Wir nannten es unser Flexibilitätsprämie, die wir zahlten, damit wir 140 % arbeiten durften, aber manchmal wählen konnten, von zu Hause aus zu arbeiten. Freitags mit dem Blackberry am Spielplatz – wenig Schlaf, viele To-dos und zu wenig im Büro und zu wenig beim Kind.
- Oktober 2005: Ich schloss meine Ausbildung zum Co-Active Coach am CTI in London ab. Gleichzeitig kauften wir ein altes Haus zum Renovieren und mein zweites Kind kam wenig später auch auf die Welt. Mein Leistungsrad lief auf Hochtouren – zwei kleine Kinder, Haus und Corporate Life – ich versuchte viel zu viele Bälle gleichzeitig perfekt in der Luft zu halten.
- Dezember 2009: Meine Einweisung in die Klinik zur Hohenegg wegen Burnout war das erste Mal, dass mein Körper mich stoppte, obwohl mein Kopf weitermachen wollte. Fehlgeburten, Berufstätigkeit, Verantwortung, Hausbau, Kinder und der alltägliche Irrsinn waren anstrengend, nur hatte ich einfach nur ein schlechtes Gewissen, all das nicht einfach zu schaffen. Wenn ich es nur hart genug versuchen würde, könnte ich auch diese erfolgreiche Karrierefrau werden, die in allen Corporates die Diversity Teams anführten.
- November 2010: Mein drittes Kind kommt zur Welt – wieder viel Leistung nach 7 Fehlgeburten und meinem Burnout. Endlich fasste ich den Mut nach jahrelangem Coaching von Avivah Wittenberg und Gilly Weinstein mich nicht mehr als Corporate Girl zu definieren. Ich konnte wahrnehmen, dass ich die Spielregeln in den Corporates für berufstätige Mütter nicht einfach akzeptieren konnte, aber auch keine Lust hatte, sie weiter verändern zu wollen. Meine finanzielle Angst war gross, aber die innere Sicherheit, dass ich mich selber nur krank mache, wenn ich im bekannten Umfeld bleibe, siegte.
- Oktober 2011: Ich gründete Pinkfisch, eine Party Online Boutique, mit meiner ex UBS Kollegin Yasemin 2 Monate nach meinem letzten Arbeitstag bei der UBS. Wir starteten als Küchentisch Unternehmen, in dem mein Keller unser Lager wurde. Wir schafften es 2013 in den Beobachter als Porträt für Gründerinnen in der Schweiz.
- Februar 2012: Ich brach mir meinen Oberschenkelhals beim Schifahren in Südtirol, in der 7ten Woche meiner vierten Schwangerschaft. Mein Knochen wurde falsch verschraubt, es folgten 5 Jahre auf Krücken und 7 Operationen bis ich Ende 2015 ein künstliche Hüfte bekam.
- 2012-2019: Die Überforderung mit vier Kindern davon zwei unter 2 Jahren, einem wachsendem Unternehmen in der wir alles alleine stemmten, meinen zahlreichen Vollnarkosen, Schmerzen und der Angst nie wieder richtig laufen zu können, wollte ich nicht spüren. Wir arbeiteten gefühlt 7/24 Stunden pro Woche für unser Unternehmen, neben den Kindern und meinen zahlreichen Therapien, die ich auch noch stemmte. Aufstehen mit den Kindern gegen 6 Uhr morgens, Versandarbeit zwischen 8 und 12 morgens, Nachbestellungen und Admin nachmittags neben den Kindern und Arbeit am Sofa, mit dem Laptop auf den Knien bis Mitternacht, war der Standard. Wir 2 Frauen hinter Pinkfisch lebten den Begriff «selbst» und «ständig» erfolgreich über Jahre.
- Anfang Januar 2019: ich bekam meine Brustkrebsdiagnose mitten im normalen Paketversand Montag Morgen, kaum 5 Wochen nachdem wir uns entschieden hatten, unseren Onlineshop (nun KMU mit ca. einer halben Mio. Umsatz) zu verkaufen. Die Eigentumsübertragung fiel ziemlich genau mit dem Ende meiner Bestrahlungstherapie Mai 2019 zusammen. Mein Bauchgefühl, dass ich nicht mehr machte, was zu mir passte, ignorierte ich lange. Kaum hatte ich den Mut es auszusprechen, lief der Verkauf wie von Zauberhand ganz easy. Meine Krebsdiagnose half sogar, das Ende unserer Firma als Segen und nicht als Bürde für unsere Freundschaft zu sehen.
- Juli 2019: Ohne Firma und ohne Krebs, gönnte mir zum ersten Mal in meinem Leben ungeplante Zeit. Ich spürte, dass mein Körper mir mehr als eindringlich zeigte, dass meine Art zu leben ziemlich lebensgefährlich war. Ich wusste, ich wollte leben, unbeschwert und zuversichtlich. Schon während der schulmedizinischen Krebstherapie begann ich in meinen Körper hineinzuspüren, übte Dankbarkeit und das Gefühl, mit allem, das sich gesund und vital anfühlte, verbunden zu fühlen.
- Waldbaden (Shinrin Yoku), der Weg der 4 Himmelsrichtungen sowie Meditationen mit Dr. Joe Dispenza, Deepak Chopra, Gabby Bernstein oder Christie Marie Sheldon wurden ein tägliches Ritual. Ich begann meine Art das Leben zu erleben zu verändern, ich stellte mehr Fragen als selber das Ergebnis zu kontrollieren zu wollen und ich nahm jeden Trigger zum Anlass meine alten Geschichten anzuschauen und loszulassen.
- Juli 2020: Ich beginne meine Premordial Sound Meditationslehrer Ausbildung am Chopra Institute. «Aham – wer bin ich?» Ich wollte verlernen, wer ich glaubte zu sein und werden, was ich immer schon innerlich wollte. Ich reduzierte mein Tun auf ein Minimum. Ich übte einfach zu sein, mich wertvoll zu fühlen, obwohl ich im Aussen nichts tat. Ausserdem lernte ich loszulassen, was mich belastete – auch die Teile meiner Geschichte, die ich wie einen Rucksack mit mir rumschleppte.
- Dezember 2020: Ich entschloss mich nochmals das Abenteuer Selbstständigkeit zu wagen. Ich wollte meinen Selbstbildungsweg weitergeben, anderen zeigen, was mir geholfen hat, mehr ins Sein und ins Vertrauen in das Leben und mich selber zu kommen. Mithilfe von Sigruns Momentum Mastermind hatte ich meinen ersten Onlinekurs «Drück Pause bevor Dein Körper es tut» Ende März mit 16 Teilnehmerinnen erfolgreich abgeschlossen. 2021 lernte ich OnlineBusiness von der Pieke auf, aber merkte auch, dass ich schnell wieder ins viel Machen abrutschen konnte, was mein altes Muster viel zu arbeiten belebte.
- Januar 2022: Ich begann meine Ausbildung zum NeuroEmbodied Soul Centering Coach und erlaubte mir, weniger im Aussen zu machen und zuerst Klarheit und die richtigen Worte, für das, was ich mache zu finden. Ich löschte das Wort Mindset aus meiner Tätigkeit und begann das was mich heilte, als Nervensystem Regulation zu erkennen.
- Heute bin ich Embodiment Coach für ein reguliertes Nervensystem. Meine Arbeit basiert auf der neuesten Hirnforschung und der Polyvagaltheorie von S. Porges. Unser autonomes Nervensystem hat einen enormen Einfluss auf unser gesamtes Sein – es beeinflusst was wir denken, tun und für möglich halten. Es ist ein wunderbares Tool das eigene Hamsterrad Muster zu transformieren und bei sich selbst anzukommen.
Dramen, Unfälle und schwierige Zeiten kannte ich in meinem Leben genug – egal wie viel ich las, verstand oder bearbeitete. Erst als ich begann hinzuspüren, Herz und Kopf miteinander zu verweben und mich sicherer zu fühlen, auch wenn ich nichts tue, manage oder kontrolliere, begann sich mein Leben leichter, freundlicher und berechenbarer anzufühlen. Ich erfuhr, dass ich meinen Rucksack an schweren Erfahrungen nicht nur besser tragen lernen konnte, sondern auch loslassen konnte.
Diese Erfahrung gebe ich weiter in Kursen, Gruppen- und Einzel-Coachings als Embodiment Coach für ausgelaugte Leistungstierchen, die das eigene Hamsterrad gegen mehr Selbstfürsorge und Leichtigkeit im Leben tauschen möchten. Weitergeben was mich heilte, damit mehr Menschen sich selber gut tun.
2 Antworten
Deine Stationen im Leben haben mich sehr berührt. Einiges davon kenne ich, von Anderem wiederum wurde ich verschont. Was du weitergibst, ist sehr wertvoll. Wünsche dir viel Freude und Leichtigkeit auf deinem weiteren Wege ✨
Danke Natali für Deine Zeilen zu meinem Blogpost und Deinen Wünschen. Mein Körper biss sich mit mir lange die Zähne aus, aber in der Zwischenzeit regiert bei mir nicht mehr nur Kopf, Verstand und Wille. Ich übe weiterhin das Leben leichter zu spielen – aber ich werde immer besser daran. Dir auch viel Leichtes und ich schau in den nächsten Tagen gerne ein weiteres Mal auf deinem Blog vorbei. Grüsse nach Graz. Gertrud